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Abschiedsgedanken eines Auswanderers (Carl Weiler1937)

Abschieds-Gedanken eines Auswanderers

Es regte sich des Bösen Hand,
Ein leichter Druck, und es zerbricht,
Der guten Sitten dünne Schicht.
Es löst sich des Gesetzes Band,
Und aus der Tiefe, lang zurückgehalten,
wälzen sich die finsteren Gewalten.

Der Mensch ‚rückwandelt‘ sich zum Tier.
Wilde Wut und Hass und Gier,
Verleumdung, Nied und Niedertracht
Verbünden sich mit Lust zur Macht.

Das Volk hat seinen Gott vertauscht,
Seit es der Stimme des Ver-Führers lauscht.
Mit rauen Reden werden Massen aufgehetzt,
Entfesselt werden dunkle Triebe,
Das Kreuz wird durch das Hakenkreuz ersetzt
Und Rassismus verdrängt die Nächstenliebe.

Es wächst der Wahnwitz ohne Widerstand,
Die trübe Sintflut überschwemmt das Land.
Oh, Deutschland, was geschieht dir nur?
Du Land des Geistes, der Kultur,
Du Land der Kunst und Wissenschaft.
Warum wirst du so schwer bestraft?

Wie ist es möglich? – Ich kann’s nicht fassen.
Doch muss ich dich nun auch verlassen.
Mein Vaterland, du warst so schön.
Lebwohl, – Vielleicht: Auf Wiedersehn?

Von Carl (Karl) Weiler,

verfasst auf der Überfahrt in die USA mit dem Auswanderungsschiff.