Der NS-Wahlkampf in Lippe Januar 1933 und die Stationen im Kreis Höxter

Zur Vorgeschichte, zum politischen Rahmen

Die Weimarer Republik zerfiel immer mehr, die Regierung in Berlin bekam nichts mehr richtig auf die Reihe, die Arbeitslosigkeit lag zeitweise bei 20 Prozent. Bei den Reichstagswahlen 1932 bekam die NS-Partei, die NSDAP, die es seit 1920 gab, einen Dämpfer, von 37 % auf 33 %. Doch Hitler wollte nicht Vizekanzler, er setzte alles auf eine Karte für die alleinige Machtübernahme. Die Wahl zum Lippischen Landtag am 15. Jan. 1933 ging in die Geschichte ein. Hier bot die NS-Partei alles auf, um auf mehreren hundert Veranstaltungen zu zeigen, was sie wollten. Einen totalitären Führerstaat mit wenig/keiner Demokratie und das Ausschalten der Kommunisten und er SPD. „Zur Befreiung Deutschlands“.

„Sieger NSDAP Lippe 15.1.1933“ steht auf der Anstecknadel aus Aluminium, die bereits beim Wahlkampf Lippe verteilt wurde (Foto privat. im Buch Lippe S. 74).

Lippe und der legendäre und denkwürdige Wahlkampf 1993

In dem kleinen Land Lippe mit ca. 120.000 Wahlberechtigten wurde mit einem Großaufgebot der Wahlkampf inszeniert, es wurden aufgeboten Massen-Kundgebungen (in Zelten), Hausbesuche, Lautsprecherwagen, Plakate usw. Die SA (die Sturmabteilung der Partei) wurde überregional mobilisiert und sie übernahm die Durchführung der Veranstaltungen und mit viel Getöse und Präsenz. Mit Kommunisten gab es mehrfach Handgreiflichkeiten mit Verletzten und einem Toten. Der Terror als Herrschaftsinstrument wurde schon sichtbar.

Hitler hielt 16 Reden, Joseph Goebels (Propaganda-Chef) 20 Reden in den Tagen vom 4.-14. Januar. Auch von Hermann Göring (später Chef der Luftwaffe und Reichswirtschaftsminister) ist die Rede. Auf den Dörfern und in größeren Städten sprachen weitere Parteigrößen mit Rang und Namen. Die Überraschung gelang: Die NSDAP wurde stärkste Partei mit 40 %, dahinter die Sozialdemokraten mit 35 % und die KPD 11 %. Das Signal für Berlin lautete: Wir sind da, wir gehen in die Offensive und wir wollen alles. Die Wahl zum Reichstag in Berlin im März 1933 brachte 44 % für die NSDAP und einen Zugewinn von 11 Prozent. Der Weg zur Alleinherrschaft, und geradewegs in die Katastrophe, zeichnete sich bereits ab.

Zusammenfassung des Buches Lippe im III. Reich

Das Buch ist eine Dokumentation mit hunderten von Dokumenten (Zeitungsberichte, Parteiveröffentlichungen, Fotos, kritische Begleiter usw.), alles in Auszügen. Diese sind 7 Kapiteln zugeordnet, wobei die Wahl und das politische System einschließlich Verfolgung Andersdenkender und der Juden den ersten Teil bildet. Der große zweite Teil ist dem Schulsystem, der Hitlerjugend und die Erziehung im Dienst der Partei gewidmet. Im Schlusskapitel geht es die Haltung der Kirchen.  Der Autor Dr. Volker Wehmeier (1938-2019) war Pädagoge an der Universität Bielefeld. die Seitenzahl beträgt 332, ein Namen- und Ortsregister ist nicht vorhanden.

Literatur

Wehrmann, Volker (1984): Lippe im Dritten Reich. Die Erziehung zum Nationalsozialismus. Eine Dokumentation 1933-1939. Zusammengestellt und bearbeitet vom Autor. Auflagen 1984 – 1987 – 1997

Die Rolle von Schloss Grevenburg und Schloss Vinsebeck

Wieder zurück zur Lage in Lippe. Das Hotel Kaiserhof in Detmold wurde die Wahlkampfzentrale. Hitler hatte sich in der Grevenburg einquartiert (zu Nieheim), Goebbels im Schloss Vinsebeck (zu Steinheim, Fam. von Wolff-Metternich). Die Verbindung zu Ort und Familie blieb über die ganze Herrschaft aufrechterhalten. Häufigere Besuch folgten bis 1939 bei der Fam. von Oeynhausen, Grevenburg. Auch Gut Breitenhaupt (bei Steinheim, Fam. von Kanne) war ein bekannter Treffpunkt jener Zeit. Lippe und die Stationen im Kreis Höxter genossen anhaltende Wertschätzung der Partei-Elite.    

Fotos im Buch Lippe finden sich auf den S. 79/80 sowie S. 132/133.

Diese Aspekte tauchen in der Regionalgeschichte des Kreises Höxters kaum auf, eine Darstellung der Besuche und der Zusammenhänge gibt es nicht.

Zitate von Joseph Goebbels (Propaganda-Chef)

In den Tagebuchaufzeichnungen von Joseph Goebbels erscheinen die Orte Vinsebeck und Grevenburg mehrfach auf, z. B.

  • 10. Januar: In der Nacht fahren wir auf eine wunderbar einsam gelegene Wasserburg inmitten dieses schönen Landes und können richtig ausschlafen.
  • 12. Januar: Er (der Führer) wohnt bei Baron von Oeynhausen in einem uralten Schloss, in dem wir mit einer wunderbaren Herzlichkeit empfangen werden. Den ganzen Abend erzählt der Führer mir, was er in Berlin gesehen und erlebt hat … Um 3 Uhr nachts kommen wir erst nach Vinsebeck zurück.
  • 13. Januar: Der Führer kommt nach Vinsebeck zu Besuch. Wir sitzen am Kamin und schmieden Zukunftspläne. Um Mitternacht kommt Göring nach Vinsebeck.
  • 14. Januar: Abend nehmen wir Abschied von Vinsebeck. Es waren schöne Tage, die wir hier verlebt haben … Im Auto im 100 km-Tempo nach Bielefeld. Gleich in den Schlafwagen und dann zurück nach Berlin. 

Literatur: Zitate nach Publikation Goebbels (1940): Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei München. Im Buch Lippe S. 75-78.

Otto Dietrich (Adjutant des Führers)

Ein weiterer prominenter Wahlkämpfer war Otto Dietrich (Reichspressechef der NSDAP). In der Publikation (1936): Persönliche Erlebnisse mit meinem Führer (im Buch Lippe S. 79-80), schreibt er         

  • Bewusst setzt der Führer vom ersten bis zum letzten Tage seine Person in der vordersten Kampflinie ein, ließ er die besten Redner der Bewegung aufmarschieren. – Der Führer machte mit dieser Taktik jede seiner 18 Versammlungen im Hermannsland gleichzeitig zu einem Lokalereignis erster Ordnung.
  • Das Hauptquartier aber hatten wir während des Wahlkampes auf einer der ältesten und schönsten Wasserburgen des Landes aufgeschlagen [die Grevenburg]. An jedem Abend gegen 6 Uhr verließen wir die Burg, um ins Land hinaus zu ziehen, zu zwei oder drei Versammlungen das Land zu durchqueren. Um Mitternacht oder noch später kamen wir in unser Burgidyll zurück. 
  • Es war uns gelungen, dieses herrliche Quartier vor der ganzen Öffentlichkeit streng geheim zu halten. Keine journalistische Spürnase entdeckte uns, kein Reporter entdeckte unsere Fährte. Wir kamen an und wir verschwanden wieder; kein Mensch wusste, woher und wohin. [1]
  • Wenn unsere Wagen durch die enge Einfahrt in diesem romantisch umbauten, von Efeu umrankten Hof des Schlosses angekommen waren, dann genossen wir noch mit dem prächtigen Hausherrn und seiner gastlichen Gemahlin eine stille, geruhsame Stunde am flackernden Kaminfeuer. Solche Stunden der beschaulichen Unterhaltung und Erholung waren eine Seltenheit in unserem gehetzten Dasein. Ums so mehr wussten wir sie zu schätzen. Erst spät trennten wir uns. Mit Brückner [Wilhelm B., Chefadjutant] stieg ich die steinerne Wendeltreppe zu unserem Turmzimmer empor.
  • Diese Burg, in der der Führer mitten im Kampfe einmal wirklich seine Ruhe fand, atmete beste Tradition. Ahnenbilder erzählten die Geschichte dieses alten Geschlechtes, dessen zerfallen Stammburg oben im Walde steht. Ein altes Richtschwert schwebte über dem Kaminfeuer. Alles war von gediegenster Einfachheit. Gern erinnern wir uns, gern kehrten wir noch heute zurück.

Anmerkung [1]
Ein Fotos zeigt den Führer (und andere Funktionäre), wie er am 14. Jan. eine Außentreppe der Grevenburg herabschreitet, um zahlreiche Menschen, die sich hier versammelt hatten, zu begrüßen.

Das Titelbild zeigt die Karte der 16 „Führerfahrten durchs Lipperland im Hartung 1933“. Diese Karte wurde 1936 anlässlich eines Erinnerungstreffens angefertigt. In der Bildmitte das Hermannsdenkmal mit Hakenkreuz. Die Grevenburg bei Sommersell (Nieheim) ist als Residenz sichtbar.