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Der böse Junge

De läge Junge, erzählt von Richard Knoche 1870 im Buch Niu lüstert mol


Der frechste Junge, der in Brakel über das Straßenpflaster lief, war Klein-Konrad (Kurrödsken). Der Bengel trug alle Bosheiten mit sich und Schule-Schwänzen war seine liebste Arbeit. Auf jeder Katzenkirmes war er anzutreffen. Und wenn man einem Menschen einen Schabernack spielen konnte, dann war das ihm gegeben. Wen er auch traf, möge er auch Berghan oder Brautlacht, Veitsmeier oder Leisemeier, Pohlkrüger oder Kulenkaspar heißen.

Das beste Vergnügen hatte der Bengel aber, wenn er einfache Leute veräppeln konnte. 

Wenn Marie Stieneke über die Straße ging, dann rief er hinter ihr her:

Mariekenstieneken, Hambummel“ [1]

und verwirrte das arme Menschenkind.

Kam der Töpfer-Johannes daher, dann fing Klein-Konrad an:

Pöttker-Johannes, Rämmbämm! Der Miesepeter hat im Unrat Bauch!“.

Aber Johannes war nicht so dumm wie er aussah und gab folgende Antwort:

Koch dir selbst was dazu!“.

Dass dieser Johannes so dumm nicht war, beweist die Geschichte, als ihn der Förster im Modexerwald nahe bei Feldtekansen aufgegriffen hatte und er seinen Namen aufschreiben sollte, schrieb er:

Johannes Suchmich“.

Da konnte der Förster lange suchen.  

Klein-Konrad war das eingegeben, wie er selbst glaubte. Wenn einer einen wackligen und torkeligen Gang hatte, dann rief er: 

Lämmer-Liborius, fall nicht hin!“ (Lämmerliburjes)

Wenn der alte große Mann sich sehen ließ, dann ging das so:

Hagelstange, mit dem dicken Prange (Kittel)“,

solange wie er ihn sehen konnte.

Wenn die Juden Schulmacher (Schulmeke, der Lehrer) oder Seibelman (Wywelmann) daherkamen, ließ Klein-Konrad sein

Hepp hepp (Hebräer)“

hören. Und Perlukes (Borgholzer) und Rabbi Schmul (Räbben Schmiul) trauten sich nicht, sich sehen zu lassen, ohne das er ihnen etwas nachrief. Kam der Metzger Samuel, das ging das so:

Der Sanner macht die Wurst, eine nach der anner (anderen).“

Kam Brunnen-Agnes mit einem Korb voller Flaschen daher , dann rief Klein-Konrad:

Angeneise mit der langen Neise (Nase) – bim bam bum.“

Allen Leuten gab er Übernamen und rief nicht nur gleich „Kröte“ und „Satan“, sondern er warf auch mit Klumpen und Steinen um sich.

Eines Tages stand er im Ennebudiek vor Gilgeiters Haus und kaute einen Klumpen Papier im Mund. Da kam Pomsia (Paula) daher. Da fing er gleich an sie zu ärgern:

Fräulein von Pomsia Habenixs, du hast dich aber herausgeputzt – wie eine Bachstelze

und klatsch!, schmiss er dem armen Mädchen das Kaupapier ins Gesicht und rannte weg.

An Fasching gehen die Kinder von Brakel in den Straßen herum und streichen den Leuten, insbesondere den Kindern, mit ein paar Halmen Stroh über die Hände und durch das Gesicht und sagen:

Fuchtel, fuchtel (fugge), heißer Wecken (Gebäck).“

Das tat nicht weh und war ein schöner Spaß. Und wer zuerst angefuchtelt wurde, musste einen heißen Wecken herausgeben.

Klein-Konrad nahm aber keinen Strohwisch, er nahm einen Zweig von einem Dornbusch, so dass das Blut über die Hände floss.

Doch eines Tages stieß dem bösen Jungen etwas zu, worüber sich ganz Brakel freute.

Auf dem Kirchhof stapfte ein altes Weib mit einem Tragekorb voll irdener Töpfe auf dem Rücken. Klein-Konrad fing gleich an den Brakeler Schützentanz (Brökelschen Schüttendanße) zu singen:

Das Töpferweib, das Töpferweib – das frisst den sauren Kohl in den Leib.“

Das Unglück wollte, dass der alte ehrwürdiger Herr Pastor aus Istrup gerade hinterherkam, der bald sein sechzigjähriges Jubiläum feiern wird bei Jung und Alt, und der bei Juden und Christen in hohem Ansehen stand.

Da kommt der Pape aus Istrup daher“, sagt Klein-Konrad,
jetzt singe ich den zweiten Teil vom Brakeler Schützentanz.“ 

Dass du wohl das Maul hältst,“ sagte Philipp vom Schwarzen-Adler-Hof, der im begegnete. „Ach“, sagt Klein-Konrad, „Was schert mich ein Pfarrer, ob er aus Borgholz oder aus Pömbsen sei?“

Und er fing an zu krajohlen, dass es der geistliche Herr es auch ja hören sollte:

Hast den Papen von Istrup nicht gesehen? Den Fettsack, Saufsack und ‚Teuterläntent‘. –
Die Hose brennt ihm, einen Flicken davor, so brennt sie nicht durch.“

Aber da stand der Ratsdiener mit dem langen Säbel dahinter, der kriegte Klein-Konrad an den Kanthaken und haute ihm was um die Ohren, so dass er hinfiel und herumkugelte. – Und das hatte er auch verdient.

Der Ordnungsmann brachte ihn zum Bürgermeister und Klein-Konrad kam zweimal vierundzwanzig Stunden in den Kasten (Kerker) hinter dem Rathaus – bei Wasser und Brot. Er kam wieder heraus. Aber seine Bosheit, die hätte er besser im Keller lassen sollen, die brachte er wieder mit.

Wenn er jetzt noch weiter macht, dann sollte er in Bänninghausen im Zuchthaus (heute LWL-Einrichtung für psychisch kranke Straftäter in Eickelborn)) landen. Aber selbst da wird er schwer wieder auf einen anständigen Weg zu bringen sein. Denn einem alten Esel ist schlecht tanzen zu lernen.

Anmerkung:

  • Für die Übertragung ins Hochdeutsche danke ich Herrn Wolfgang Wiechers-Wenta, Dringenberg (2024)
  • [1] Die Hambummel wurde für Landstreicher, Tippelbrüder verwendet. Vgl. Joh. Waldhoff (2025) in Steinheim 750 Jahre Stadt, S. 26