Der Gesellschaftsverein „Club e. V.“ – die feine Adresse der Stadt für über 100 Jahre
Der Club wurde als „Gesellschaftsverein“ 1837 gegründet bestand bis 1942. Der Chronist schreibt auch für die stabilen Verhältnisse einer Kleinstadt eine selten lange Zeit. Und weiter: Er war die erste Gesellschaft des Städtchens und manchmal auch wegen manchen weitererzählten Vorkommnissen der bestgehasste Verein der Stadt. Er besaß ab ca. 1880 ein eigenes Haus mit großem Weinkeller und einer schönen Außenanlage neben dem Feuerteich. Neben den obligatorischen Herrenabenden standen Unterhaltung, Mußestunden, Spiel und Musik, Kostümbälle, italienische Nächte auf dem Jahresprogramm. Es waren auch Gäste zugelassen und auf eine Beteiligung der Damen wurde von Anfang an geachtet. In den 1920-er Jahren stießen sich die Kavaliere er alten Schule an dem Benehmen der jungen Herren und den hatten ihre Schwierigkeiten mit dem Weibstum, was sich den neuen Moden wie Bubikopf und kurze Röcke auftritt.
Zweck des Vereins war die Gemeinschaft von gebildeten und wohlsituierten Herren, die Genuss und Lebensfreuden im Kreis Gleichgesinnter erleben wollten. Gepflegte Unterhaltung, Ablenkung vom Alltag, eine kleine Auszeit würde man heute sagen. Dreißig Mitglieder kauften um 1880 ein Haus am Feuerteich als standesgemäßes Vereinsheim, das in später in Gemeinschaftseigentum überführt wurde. Der gebührende Respekt vor der Regierung gehörte dazu, wenn auch die Feste der Kaiserzeit nicht so sehr im Blickpunkt standen. Die Entwicklung in Brakel als Stadt wurde sicher genau verfolgt, aber besondere Impulse gab dazu es nicht. Man blieb unter sich und auch das große Stadtjubiläum von 1929, dem Jahr, in dem die interessante und amüsante Chronik verfasst wurde, gibt es keinen Hinweis auf ein weitergehendes Engagement. Auffällig ist auch, dass es wohl keine Vereinsfahre gab. Der damalige Fahnenkult prägten die Kaiser- Weimarer und die Hitlerzeit.
Die Gründer von 1837 repräsentierten die damalige Oberschicht der Stadt, schreibt der Stadt: 16 Titelträger (Graf, Justiz, Sekretäre, Theologen u. a. ) sowie14 Bürger und Landwirte.
Der Verein bestand im Wesentlichen aus der Bildungs- und Führungsschicht der Stadt: Die Verwaltung, Ämter (Stadt, Justiz, Banken, Post, Gastwirte) waren vertreten ebenso wie Ärzte und Apotheker. Führende Kaufleute und Unternehmer waren Mitglieder. Die größte Gruppe waren die Oekonomen bzw. Gutsbesitzer und -pächter sowie Rendanten – nicht nur aus Brakel, auch aus der Umgebung bis Bruchhausen, Rheder usw. Mit einem Anteil von 10 % bei den 34 Gründungsmitgliedern wuchs binnen von 20 Jahren auf einen Anteil von 25 %, die bis zum Ende konstant blieb.
Die Zeit des 19. Jahrhunderts war bekanntlich die Zeit des Umbruches auf den Agrarsektor. Es ging um Entscheidungen und Weichenstellungen, die das Vermögen und Investitionen betrafen. So wundert es nicht, dass die große Gruppe der Personen mit landwirtschaftlichem Hintergrund für die Nähe von Rechtsanwälten und Notaren, von Katasteramtspersonen und Bankspezialisten nützlich war. Die landwirtschaftlichen Organisationen spielten für diesen Kreis wohl zeitweise nur die Nebenrolle.
In Zusammenhang mit den besonderen landwirtschaftlichen Interessen kamen vermutlich auch Juden mit ins Boot. In den fünf Jahren nach 1846 sind es fünf Herren, die aufgenommen werden. Darunter waren die jüdischen Kaufleute und Vertreter des Getreidehandels (Flechtheim) und des Produktenhandels (Weiler). Diese Gemeinsamkeit hat sicher erheblich zum gegenseitigen menschlichen Verständnis beigetragen. Über die Jahre wurden die Söhne der Juden Mitglieder, der Anteil von 5 % der Mitglieder bzw. 12 von 245 Mitgliedern insgesamt blieb überschaubar. Der Verein zeigte die Annäherung und Normalisierung und die Pflege der Gemeinsamkeit über viele Jahrzehnte sehr gut. Im Rahmen der Gleichschaltung ab 1933 mussten wohl die letzten Mitglieder ausgeschlossen werden. Darüber steht nichts in den zugänglichen Unterlagen.
Später dominierten wohl neben der Justiz mehr die Kaufleute und Unternehmer unter den Mitgliedern. Aber immer waren Lehrer, Geistlichkeit, Stadtvertreter dabei. Man achtete auf Bildung und Charakter, wie es heißt und über neue Mitglieder wurde traditionsgemäß durch Ballotieren: geheime Abstimmung mit weißen und schwarzen Kugeln.
Die Themen Politik und Religion bzw. Weltanschauung sollten satzungsgemäß stets außen vor bleiben. Doch das gelang jedoch nicht immer, wie es sich zeigte. In der Zeit des Kulturkampfes um 1870, als die Preußen die Hoheit über die Schulen erlangen und den Einfluss der Kirchen beschnitten haben, spalteten sich 14 Landwirte ab und bildeten für ca. drei Jahre einen eigenen Zirkel. Dasselbe passierte um 1900, als eine Loge mit einem Teil der Mitglieder eigene Veranstaltungen abhielt. Auch diese Gruppe kam wieder zurück in den Schoß der Gemeinschaft. Bezeichnende Indizien für die Disharmonien sind zum Beispiel, dass eine freizügige Darstellung der Maria Magdalena aus einem Bild herausgeschnitten wird oder dass das Bismarck-Porträt verkehrt herum an der Wand hängt.
Interessant wäre auch der Blick in den gut gepflegten Weinkeller, denn der Kellermeister war ein wichtiges Amt im Vorstand. Aber von Interesse ist abonnierte Zeitungslandschaft, von der an einigen Stellen berichtet wird. Darunter waren
- Die Augsburgische Allgemeine und der Münstersche Anzeige, eine Paderborner und Kölner Zeitung, die Post und die Fliegenden Blätter, die Leipziger Illustrierte und der Kladderadatsch.
Gesellschaftlicher und politischer Gesprächsstoff war immer vorhanden. Große Bedeutung hatten neben den obligatorischen Herrenabenden besondere Veranstaltungen wie Kostümballe, Tanzveranstaltungen, italienische Nächte usw. Im Garten wurde Cricket gespielt und auf die Etikette einigermaßen streng geachtet.
Die meisten Familiennamen der Vorstände daus der zeit des 19. Jahhunderts und um 1900 sind in Brakel nicht mehr vorhanden. Es waren die Familien Brüning (Amtsrichter), Crux (Ratsherren), Eisenlee (Steuereinnehmer), Gunst (Gutsbesitzer Hembsen), Georg (Gutsbesitzer Beller), Meyer, Temming und Sierp (Rechtsanwälte), Nutt (Veterinärrat), Stricker (Gutsbesitzer). Die Namen Larenz, May, Reese sind wohl der Justiz zuzuordnen, der Name Disse ist noch zu fassen.
In Vereinsmappen, die dem Stadtarchiv übergeben wurden, sind die Jahre bis 1942 dokumentiert. In diese Zeit fällt auch das groß gefeierte Fest der 100-Jahrfeier mit der Festansprache des Direktor Paul Meyer, Rechtsanwalt und Notar. Die „freiwillige Auflösung des Vereins“ vom 6. Juni 1942 ist unterzeichnet von Hans Happ (auch Liquidator), Franz Schneider und Clemens Sierp.
Literatur
- Die Geschichte des Gesellschaftsvereins Club e. V. Brakel – niedergeschrieben von VeterInärrat Heinrich Nutt im Jahre 1929. Brakeler Schriftenreihe, Heft 4, 1988. Mit einem Vorwort und ergänzten Schlussteil vom Herausgeber, hier J. W. Braun für Fa. FSB. Mit mehreren Fotos von Personen und dem Haus.
- Gebundenes Manuskript der Vereinschronik von Heinrich Nutt 1929 mit Inhalten, die im Heft der Schriftenreihe nicht enthalten sind. 34 Seiten mit Gründer- und Ahnenliste.
(2025-03)