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Turnverein Brakel 1890 (TV)

Vorweg

Der bekannte Brakeler Historiker Dr. Herbert Engemann* hat die Chronik von 1990 verfasst. Auf Fußnoten, Anmerkungen und übliche Literaturangaben wird verzichtet. Die Lesbarkeit trotzdem durch die vielfältige Darstellung etwas schwierig. Der Verfasser hat als Grundlage die Protokollbücher von 1901 bis 1979, mit Ausnahme von wenigen Jahrgängen.  – Dr. Engemann schreibt am Schluss: Staunend steht der Chronist vor der Fülle der Aktivitäten und des Engagements hunderter Brakeler Bürger auf allen Ebenen des Sports. Der TV habe große Katastrophen unseres Volkes überwunden durch die Tatkraft verantwortlicher und sportbegeisterter Männer und Frauen. Besonders hervorzuheben sei die Lern- und Anpassungsfähigkeit der Vereinsmitglieder und Amtsträger. Die soziale Seite des Sports hat an Bedeutung gewonnen. 

Zweck

Der Turnverein hat die Förderung des Sports und die sportliche Jugendhilfe als Ziel. Sport wird als Freizeit- und Breitensport und Leistungssport verstanden. – In den Satzungen von 1902 und 1907 sind weitere Schwerpunkte benannt: Neben der Pflege der Leibesübungen auf breiter Grundlage zur Förderung der körperlichen und geistigen Ertüchtigung der Mitglieder, besonders der Jugend – auch die Pflege des deutschen Volksbewusstseins und vaterländischer Gesinnung. Die Betonung der nationalen Komponente hielt an bis zum Zeiten Weltkrieg. Nach dem Krieg sind Politisches und Parteibestrebungen ausdrücklich ausgeschlossen. Heute betont man die Atmosphäre des gegenseitigen Respekts, der Toleranz und der Transparenz von Rechten der Mitglieder, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.

Gründung

In der Tradition der Turnvereine geht auf Turnvater Jahn (1778-1852) zurück, der um 1910 die deutsche Turnerbewegung ins Leben rief. Er war Lehrer, Freiheitskämpfer und Abgeordneter. Die 4 F – frisch, fromm, fröhlich, frei – wurden der Sinnspruch des Turnens. Ein Jahngedenken fand in den ersten Jahrzehnten statt.

Über die Gründung des TV Brakel im Jahr 1890 ist leider nichts bekannt, weil Vereinsunterlagen fehlen bis 1901.  

Übungsorte und Mitglieder

Zunächst wurden die Freiluftsportarten auf Heinemans Wiese (bis zum Weidegang der Tiere) und Schützenanger (Vorplatz der Stadthalle). Die eigentliche „Turnlokale“ waren große Säle (Tilly, Bordfeld u. a.) und später die Turnhallen. Die Turnhalle der Brede wird um 1925 gebaut, die in der Klöckerstraße 1958. Die Dreifachsporthalle beim Schulzentrum am Bahndamm ca. 1965.

Für 1907 sind 49 Personen genannt, für 1911 135, im Ersten Weltkrieg fielen 18 Turner. Der Verein hat Ärzte, Juristen, Beamte und Kaufleute als passive Mitglieder. Fünf jüdische Mitglieder sind im Verein, von denen das letzte Mitglied 1933 als verzogen gemeldet wird. David Heinemann war Vorsitzender 1903-1904, Paul Heinemann zweiter Vorsitzender um 1910. Bei einigen Mitgliedern gab es Vorbehalte gegen Mitlieder des israelitischen Bekenntnisses.

1945 erfolgte die Neugründung mit 75 Mitgliedern. Bald sind es mehrere Hundert und ab 1990 über 500.

Ein Kapitel über drei Seiten ist den Streitigkeiten und Konflikten mit Handgreiflichkeiten gewidmet. Animositäten innerhalb des Vorstands sind häufig, Forderungen von der Bais gibt es und Kritik an mangelnder Beteiligung an den Übungsstunden usw. Auch nach der Krieg 1945 gibt es heftige Meinungsverschiedenheiten die fehlende politische Bildung und rüden Umgangsformen werden beklagt. 

Sportarten

Das Geräteturnen und Faustball waren in der Anfangszeit die bevorzugten Sportarten. Besonders die Kunstturnwettkämpfe hatten besonderen besonderem Reiz auch für das Publikum. Als Turnergruß wurde „Gut Heil“ verwendet und Turnerlieder wie „An Rang und Stand sind alle gleich“ gesungen.

Das eigentliche Turnen sielt heute keine übergeordnete Rolle mehr. Im Laufe der Jahre haben neue Sportarten an Bedeutung gewonnen, darunter auch Fußball und Leichtathletik, die später von eigenen Vereinen betrieben wurden, von der Spielvereinigung Brakel und der kirchlich orientierten DJK Adler Brakel, beide im Jahr 1920 gegründet. Über die näheren Umstände diese Gründungen steht nur wenig in der Chronik von 1990, nur dass es Rivalitäten und zeitweise (um 1930) aber auch gemeinsame Sportfest gab.

Heute präsentiert sich der TV mit einer großen Bandbreite von Indoor mit Inlinehockey, Bodyforming, Fit mit Fun, Wirbelsäulengymnastik, Judo, Kickboxen und Volleyball. Outdoor mit Kanufahren und der Bogensport-Abteilung. 1960 entstand der Fanfarenzug Brakel als Abteilung des TV, der zunächst nur 8, später dann über 30 Musiker umfasst. Die „Knüppelmusik“ besteht auch Tambourcorps, Trommlern und Pfeifern. 

1975 wird das Bootshaus an der Nethe bei der Alten Brücke in großer Eigenleistung gebaut und dient für Versammlungen und Treffen. Vorher lagerten die Boote in Lösekes Schuppen.

Besondere Ereignisse

Die Chronik vermerkt auf S. 90-93 zählreiche bemerkenswerte Ereignisse. Daraus diese Stichworte:

  • 1900 Turnfest zu Brakel mit Festzug durch die Stadt, turnwettbewerben und Festball am Abend
  • 1906 Bezirksturnfest mit Zapfenstreich und Fahnenweihe mit Sechskampf (Reck, Barren, Pferd, Weitsprung, Kugelstoßen und Wettlauf)
  • 1912 Beteiligung (mit Josefsverein und Fortbildungsschule) am „Kriegsspiel“ des Bezirkssportvereins Zwei Tage bekriegen sich eine Blaue und Rote Parteimit je 150 „Kriegern“ – im Gebiet Brakel bis zur Weser bei Hameln. Mit einem Eilmarsch und Laufschritt über 23 km beginnt die Übung. Gefechte mit Lärmpistolen, begleitet von „Artilleriefeuer“ von den Höhen finden statt. Das sind Bestandteil der militaristische Selbstdarstellung der wilhelminischen Zeit, alles zu Preußens Gloria (Ruhm), schreibt der Chronist.  
  • 1918 Der TV hat 18 Gefallene des Ersten Weltkriegs zu beklagen. Eine Gedenktafel wird bei der Gastwirtschaft Klahold angebracht.
  • 1922 Bezirksturnfest mit Zapfenstreich, Kommers, Kirchgang, Kundgebung auf dem Marktplatz usw.
  • 1926 Einweihung der Stadthalle mit Theaterstück des TV vor einer Volksmenge bei 3.000 Personen
  • 1929 Wagen Gerichtswesen im Mittelalter beim Festzug 1100 Jahre Stadt Brakel
  • 1933 Beteiligung am Tag der nationalen Arbeit. Festwagen mit dem Turmkreuz (Zeichen der dt. Turnerschaft), den fünf Ringen (Olympia). Turner in weißer Turnkleidung zeigen leichte Übungen am Barren.
  • 1955 (85 Jahre) Gauturnfest des Ostwestfälischen Turngaus in Brakel mit Programm an zwei Tagen. Mit Festzug von Stadthalle – über die Neustadt und Königstraße zum Markplatz. Von dort zum Hanekamp (Kranzniederlegung) und über die Nieheimer Str., Thystraße und Ostheimer Str. zurück zur Stadthalle
  • 1965 (75 Jahre) Gauturnfest
  • 1989 (90 Jahre)
  • 1990 (100 Jahre) mit Festschrift 100 Jahre

Neben den Sportveranstaltungen gibt es viele Aktionen für Feiern, Fest und Geselligkeit. Von schweren Unfällen blieb der Verein nicht verschont, so ein tödlicher Fall vom Reck. Die Verletzungen werden ärztlich behandelt. Genannt werden Schlüsselbeinbruch, Zahnprothesenbruch, Prellungen, Bänderdehnungen.

Teilnahme am Deutschen Turnfesten. Jahn-Gedenkfeiern mit turnerischen Vorführungen (1927)

Literatur

  • Engemann, Herbert (1990: Geschichte des Turnvereins Brakel. Hrsg. Turnverein Brakel, Druck Schröder Brakel. Mit zahlreichen Fotos und historischen Zeitungstexten und Beiträgen von weiteren Personen. 100 S. Damaliger Vorsitzender: Heinrich Kluge.
  • *) Dr. Engemann (1923-2016) war Schulleiter des Städtischen Petrus-Legge-Gymnasiums in Brakel von 1974 bis 1988. 
  • Internetseite des TV Brakel mit dem aktuellen Angebot

(2025-03)